3.6.14

Hamilton Russell Pinot Noir 2007, Walker Bay



Im Normalfall versuche ich stets den Leser meiner Artikel, Verkostungsnotizen oder sogar bei wirklich Wichtigem ;-) nicht mit belanglosen persönlichen Gefühlsregungen oder biographischen Nichtigkeiten zu langweilen. Heute muss ich diese Grundhaltung etwas aufweichen, da es heute um einen Wein gehen soll, der gedankliche noch immer nachwirkende Sedimente an meinem Gaumen hinterlassen hat. Ich meine natürlich nicht genau exakt diesen Wein. Ich meine vielmehr eine Edition aus grauer prä-bloggosphärischer Vorzeit.

Es mag nunmehr um die neun Jahre her sein als ich den Hamilton Russell Vineyards Pinot Noir 2001 im virginen Zustand, im damals gerade noch jugendlichem Unverstand, mir die Kehle runter kippte. Auch damals schon, war neben einer ungesunden und verderbenden Sozialisation mit reichlich vielen Bordelaisern Weinen, meine Prä-Pinot-Destination evident. Doch mit Pinot Noirs aus der Neuen Welt kam ich bis zu diesem prägendem und nachhaltigen Erlebnis nur wenig in Kontakt. Was nun letztlich so prägend an diesem „Ur-Pinot-weit-weg“ war ist heute nur noch von belangloser Bedeutung und bestenfalls mit grauenvoll schmalzigen und lückenhaften Erinnerungen widergebbar. Diesen Anschlag in From von schlimmst möglicher Weinlyrik erspare ich dem geschätzten Leser sehr gerne. Nur soviel: es war sicherlich sehr schön! Genug dem Gesülze! Jetzt gibt es Flüssiges ... sogar mehr als nur den "Ur-Pinot-weit-weg"!


Im Jahre 1975 machte sich der Werbefachmann Tim Hamilton Russell auf an den südlichsten Zipfel von Südafrika, in das Hemel-en-Aarde Valley in Walker Bay, mit der Absicht Cool-Climate Pinot Noir und Chardonnay Weine herzustellen. Weine die es bis dato in dieser Form in Südafrika noch nicht gab. Die ersten eineinhalb Jahrzehnte waren nicht ganz einfach. Viele Rückschläge und die damals noch verwendeten Swiss BK5 Klone machten das Leben schwer. Im Jahr 1991 begann Tim's Sohn Anthony die Geschicke des Weingutes in seine Hände zu nehmen. Dank der beginnenden politischen Aufhellung in Südafrika wurde es möglich das nun hochwertigere Dijon Klone in vorteilhafteren Lagen (reichhaltige rötliche Tonböden im Eisenablagerungen und gen Norden etwas Schiefer) angepflanzt werden konnten. Heute werden auf ca. 22 ha Pinot Noir und ca. 28 ha Chardonnay Reben kultiviert. Unter dem Namen Southern Right werden mittlerweile auch Sauvignon Blanc und Pinotage Weine am Markt angeboten.


Die Farbe des Hamilton Russell Pinot Noirs 2007 war wie man sie sich bei einem Pinot Noir idealtypisch vorstellen mag. Rubin rot, vitale Reflexe, kaum Verfärbungen am Rand und schöne Transparenz. Die Nase brauchte ca. zwei Stunden in der geöffneten Flasche um auf touren zu kommen. Zunächst wirkte sie zwar feingliedrig aber etwas sehr fruchtig, leicht süßlich, insgesamt leicht monoton und eher zurückhaltend. Später entwickelte sich der nasale Eindruck hin zu wesentlich mehr Komplexität und Ernsthaftigkeit. Nun zeigten sich ausgeprägte Aromen von reifen Himbeeren, hellen Kirschen, einem vermutbaren Etwas an roten Johannisbeeren, nicht zu wenig Erdigkeit, Spuren von Vanille sowie gut abgestimmte Düfte die an Nelken, Leder und feuchtes Unterholz erinnerten. Am Gaumen benötigte er ebenfalls um die zwei Stunden um richtig aufzuwachen. Die Säure wirkte vergleichsweise mild. Dies mag dazu geführte haben, dass ich den 2007er als etwas dicklicher und reichhaltiger empfand als ältere Ausgaben. Trotzdem hatte er strukturell nur wenig von einem Neue Welt Pinot Noir an sich wie man sich einen solchen viel zu oft gerne vorstellen mag. Ein Schreihals, eine Fruchtbombe oder ein aufgeblasener Poser war der Wein meiner Meinung nach zu keinem Zeitpunkt. Muskel, Kraft und "sanften" Druck zeigte der Hamilton Russell schon. Doch immer auf eine bescheidenen und zurückgefahrene Weise. Die Aromen zeigten sich mit der Nase mehrheitlich deckungsgleich. Insgesamt wirkten diese hier etwas metallisch-streng-eleganter und weniger leichtfüßig-fruchtig-schwingend wie in der Nase. Auch ein erstaunlich mineralisch – von mir aus auch salzig – wirkender Unterton sollte nicht unerwähnt bleiben. Alles in allem sicher nicht mein bester Pinot Noir von Hamilton Russell. Dennoch ohne größere innere Diskussionen und sonstartigen Abwegungen ein sehr anständiger ***** Wein! Ich bin mir sicher, dass ihm noch einige Jahre in der Flasche gut tun werden.

Neben der Begegnung mit der zündenden palatalen "Pinot weit weg" Vergangenheit gab es einen Centgrafenberg R Spätburgunder 2003 vom Weingut Fürst. Dieser überraschte mich mit seiner für den Jahrgang eher untypischen relativ frischen und kühlen Art. Die Frucht wirkte auf mich zwar etwas aufgesetzt und ein Tick zuckrig-kitschig, doch richtig anständig **** war er allemal. Der vom Weingut Keller aus Flörsheim-Dalsheim stammende Spätburgunder Bürgel Felix 2001 erschien mir strukturell recht einfach gestrickt, glücklicherweise erwies er sich verhältnismäßig leicht und nicht voll von überreifer Frucht. Letztlich war dies aber egal, weil er leider von einem leichten Korkgeschmack verdorben wurde. Leicht enttäuschend aufgrund seiner etwas starken Alterung wirkte der Gevery-Chambertin En Jousie 2002 der Domaine Harmand-Geoffroy. Das Tannin war richtig kaffeepulver-staubig und die Aromen zwar ziemlich wild, sehr ländlich, etwas stählern und burschikos, doch insgesamt ziemlich ausgezehrt. Die Flasche stammte aus nicht sonderlich guter Lagerung. Leider nur so la-la ***. Der Höhepunkt des Abends, wie es nicht weiter überraschen mag, war der Clos Saint Jacques 1992 von der Domaine Armand Rousseau. Trotz des hohen Alters und des zweifelhaften Jahrgangs konnte der Wein mit einer Strahlkraft, Dichte, typischen und ganz sicher unbeschreiblichen Rousseau-Klarheit sowie seiner eleganten Intensität überzeugen. Diese lässt nur ein fantastisch ****** als Schlussfolgerung zu (leider ist die Flasche auf dem Foto nicht mehr zu sehen da ein dem Leergut zugeneigter Freund zugeschlagen hat)! Zum erfrischenden Abschluss gab es noch einen Gimmeldinger Mandelgarten Riesling Spätlese trocken 1993 vom Weingut Müller-Catoir in der Pfalz. Der Riesling hatte Dichte, Leben, etwas weniger Frische als gehofft, netten Rauchakzent und ein gutes Potpourri an recht süß wirkenden gelben Früchten. Ein anständiger **** Abschluss für einen durchaus gelungenen Abend mit einem alten liquiden Freund!

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