14.12.13

Cristom Vineyards Pinot Noir Sommers Reserve 2008, Willamette Valley





Wie mag ich diesen Wein wohl getrunken haben? Nicht gerade unbeeinflusst durch die psychologische Wirkung der Wonnen von herbstlichen Wetterkaprizen und die leicht paralysierende Gewalt eines verstauchten Knöchels haben für mich entschieden ein kleines, zugegeben ziemlich lächerliches und zutiefst subjektives "Experiment" an den Start zu bringen. Ein Abend mit musikalisch untermaltem Wein musste es sein, der mich aus meiner temporären Pein erretten sollte. Um das Experiment einigermaßen interessant, mehr für mich als den geduldigen Leser, zu gestalten habe ich mich entschlossen, verschiedenste und teilweise fast widersprüchlich anmutende, ich weiß - eine nicht sehr treffgenaue Umschreibung, Musikstile mit Weingenuss zu verbinden? Eine Melange, nicht gleichzeitig, aus der göttlichen La Traviata (offensichtlich zeitversetzt Live aus der Scala), den intoxicating Funk-Disco-Whatsoever-Hits von Earth Wind & Fire, den wunderbaren Trübsinnigkeiten von Radiohead und letztlich den lyrisch-lebensflüchtigen "Träumereien" der Doors (ebenfalls live, aber wesentlich zeitversetzter ...) sollten den Job der Untermalung für mich erledigen. Jetzt wird vielleicht klar, was ich mit dem unzureichenden Ausdruck "widersprüchlich" gemeint habe. Wenn nicht, ist das auch nicht weiter wichtig. Nur soviel: ich mag alle diese musikalischen Stilrichtungen! Weitere Hintergedanken gab es keine. Dazu später ein wenig mehr! Jetzt aber weiter im Text! Das zu untermalende Objekt!

Bei einer stark ichbezogenen Veranstaltung konnte eigentlich nur Pinot Noir in Frage kommen. Dieser Prädestination habe mich natürlich gerne gebeugt. Oregon Pinot war nach längerer Zeit mal wieder an der Reihe. Aufgrund des schon erwähntem Wetters habe ich mich entschieden meinen ersten öffentlich vorgestellten 14%igen Oregon Pinot wegen seiner vermuteten wärmenden Eigenschaften in Angriff zu nehmen. Der  Sommers Reserve 2008 von Cristom Vineyards in Salem ist ein Pinot Verschnitt aus unterschiedlichen AVAs und Lagen im Willamette Valley. Der 2008er besteht aus 90% Eola-Amity Hills, 6% Willamette Foothills and 4% Dundee Hills Traubengut. Auch die Verschiedenheit der verwendeten Klone war bei diesem Wein beträchtlich. Neben drei Dijon Klonen (114, 115, 777) kamen auch Trauben aus alten Pommard und Wädenswil Klonen in den Sommers Reserve zum Einsatz. Vergoren und für 17 Monate ausgebaut wurde der Wein in französischem Holz (59% neu). Der Langeweile genug! Auf geht's ...



Der Sommers Reserve hatte einen leicht trüben Schleier, dennoch viel Transparenz, und ein recht helle an reife Himbeeren erinnernde Farbe. Die Nase zeigte sich sehr jugendlich, aber keinesfalls schüchtern. Sehr viel überaus mineralischer Oregon Funk (mit einer stärkeren Neigung hin zu sehr holzigem Unterholz – meiner Meinung nach sicherlich nicht vom Ausbau) machte sich in meinem Glas breit. Ich würde die Nase schon fast als parfümiert, in einen zuträglichen Sinn, bezeichnen. Sie war sehr intensiv, duftig und tief in die Wurzeln der Nasenhaare greifend. Fruchtaromen von lebendigem Cassisbeeren, roten Johannisbeeren und anständig gereiften Himbeeren, welche sich mit fortschreitender Zeit nach Öffnung sicherlich mehr und mehr ausbreiteten, zeigten ein sehr frisches und erfrischendes fruchtiges Nasenbild. Alles in allem eine verspielte, kaum nicht-zu-mögende Nase mit Tiefgang, aber vielleicht mit einem kleinen "Mangel" an Ernsthaftigkeit und Eleganz. Der Geschmack zeigte sich die erste Stunde bei weitem nicht so offenherzig. Viel Zurückgezogenheit, etwas konfuse Fruchtaromen, stramme Säure und reichlich zünftiges Tannin gaben den Ton an. Mit der Zeit und genügend Luftkontakt zivilisierten sich die Fruchtaromen und die Balance des Pinots. Nun waren mit reichlich Frische verwöhnte Aromen von Cassis (plus etwas Limette) und sehr saftige dunkle Kirscharomen eindeutig erschmeckbar. Zeitweise kam mir diese Fruchtlast(lustig)keit ein wenig zu dominant, gaumenschmeichlerisch und fruchtsüß daher. Diesen letzten Satz sollte ich wohl unter die Kategorie Meckern auf hohem Niveau einordnen. Es war sicherlich kein schwerwiegender und darüberhinaus zeitlich stark eingegrenzter Eindruck. Die mineralischen Prägungen des Oregon Funk waren am Gaumen weit weniger spürbar. Ein Etwas an nassem Laub, feuchter Erde und grüner-holziger Würzigkeit war vorhanden, aber weniger dominierend als es die Nase zu ankündigen versuchte. Nach ca. sechs Stunden in der geöffneten Flasche wurde der Sommers Reserve immer gradliniger, präziser und geschliffener ohne von einer Saftigkeit etwas einzubüßen. Große oregonesische Pinot Aristokratie fand, wie in der Nase, am Gaumen ebenfalls nicht statt. Ein wikliches Defizit war das für mich nicht! Dafür war der Weinfach zu "lustig-heiter"! Wie es anhand des großen Jahrgangs 2008 zu vermuten war zeigte sich der Wein noch recht grün hinter den Ohren. Ein wenig mehr Flaschenlager werden ihm in seiner Entwicklung noch gut zu Geschmacke stehen. Ach ja, was die vermuteten wärmenden Qualitäten des Alkohol betrifft kann ich größtenteils Entwarnung geben. In den ersten zwei Stunden gab es Ansätze von Spuren. Diese wagen Spuren lösten sich mit der Zeit glücklicherweise in Wohlgefallen auf. Wärmend, oder warm als übergeordnete bezeichnende Eigenschaft, war er ganz sicher nicht.

Und jetzt zurück zur Untermalung! Das Ergebnis war für mich letzlich recht langweilig und ziemlich vorhersehbar. Gar nicht zu reden von einer möglichen Spannung für den Leser! Naja, ich versuche mich kurz zu halten (bzw. empfehle dringlichst zum Fazit nach unten zu scrollen).  Zur Vorhersehbarkeit: Als eine Person die eine gefühlte halbe Ewigkeit klassischen Gesang und Komposition studiert hat – nur nebenbei, da der (pseudo-) intellektualistische Drang zu anderen Gestaden sich doch als stärker erwies, dürfte es auf der Hand liegen, das Wein und Verdi's grandioser Ausguss an gesungener Passion wohl am besten funktionieren dürfte. Dieser Mutmaßung ist nichts hinzufügen. Warum? Wahrscheinlich Sozialisation, vermeintliche ausgelassene Erhabenheit und Unvergänglichkeit der Musik, trotz eines zurecht am Ende ausgebooten Alfredos, und sonstigen Gründen die letztlich rein auf persönlicher Gefühlsebene stattfanden und mit dieser zu erklären sind. Der Weinfluss war gut, er mundete mehr als bei anderer Untermalung und führte zu passenden Gesamtstimmung. 

Bei Radiohead mach ich es kurz: Pinot in dieser Verbindung ging (an diesem Abend) gar nicht – ein warer Clash of Emotions/Taste! 

Bei den Hits von Earth Wind & Fire in Verbindung mit diesem Pinot zeigten sich gewisse funktionierende Effekte. Ein Drang zum Tanzen (was aufgrund des Knöchels nicht ging) und Mitsingen stellte sich sehr schnell ein. Schande über mich! Viel ausgelassene Gefühle und starkes Verlangen nach großen Schlucken dieses saftigen Pinots waren evident. Leider trat der Wein bei dieser Beschallung in den Hintergrund und fungierte hauptsächlich als komplettierender „Heitermacher“. 

Und schließlich die Doors! Bei den Doors verhielt es sich ähnlich wie bei Radiohead. Ein Zusammenwirken wollte sich nicht so richtig einstellen. In Verbindung mit den Doors bin ich letztlich doch etwas zu konventioneller und puristisch veranlagt. Hier bevorzuge etwas rauchbar Entspannenderes oder vielleicht auch Alkoholischeres schottischer Prägung in zu großen Mengen.

Mein Fazit, mein alternatives Fazit, möchte ich mit einer ausgelassenheitsgarantierenden Textzeile aus dem ersten Akt von La Traviata zum Ausdruck bringen! War ja letztlich klar, dass Pinot mit solchen Zeilen am besten funktionieren muss:


Libiamo, libiamo ne'lieti calici
che la bellezza infiora.
E la fuggevol ora s'inebrii a voluttà
Libiam ne'dolci fremiti
che suscita l'amore,
poiché quell'ochio al core onnipotente va.
Libiamo, amore, amor fra i calici
più caldi baci avrà ...
 

Herkömmliches Fazit: gerade noch so eine sehr anständige***** Pinot Angelegenheit!

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