2.6.13

Neuweltliche Wildheit, klassische Bäuerlichkeit und landweinliche Eleganz





Letztens hat es sich ergeben, dass sich einige Weine bei mir eingefunden haben die unbedingt verkostet werden wollten. Die Zusammenstellung zeichnete sich durch Wildheit, Bäuerlichkeit und Eleganz aus: Neuweltliche Wildheit in Form eines Wild Sauvignon 2010 von Greywacke in Marlborough welcher mir doch ganz schön in meine Keksvertilgungseinrichtung geschlagen hat. Die etwas lahm wirkende klassische Bäuerlichkeit in Form eines warmen und fruchtigen Bourgogne Roncevie 2009 der Domaine Arlaud. Und letztlich – landweinliche Eleganz - in Form eines „Liaison“ Pinot Noir 2010 Landwein vom Oberrhein aus den Händen der zumniederknienen-verleitenden Garagenwinzerrei Enderle & Moll.



Der größtenteils im gebrauchten Holz mit wilden Hefen vergorene und ausgebaute Wild Sauvignon 2010 des Weinbauprojekts Greywacke (von Kevin Judd, einstens Cloudy Bay) überraschte zunächst mit seiner recht gelb-farbig satten Farbe. Sicherlich nicht stroh-gelb, aber meilenweit entfernt von durchschnittlichen farbarmen Sauvignon Blanc Färbungen. Die Nase zeigte typische neuseeländische (und von mir aus auch nicht-neuseeländische) Sauvignon Blanc Gerüche: viel frisches vom übermäßigen Regen verwöhntes Gras, dazu Zitronengras, reife Stachelbeeren, feinsten Rauch und Anklänge verschiedenster weißer Früchte. Der Duft war sehr parfümiert und expressiv – dennoch sicherlich nicht unattraktiv! Auf die Mütze, bzw. meine Keksvertilgungseinrichtung, bekam ich mit den ersten Schlucken. Hier zeigte sich seine spezielle Wildheit! Der Geschmack war gewaltig, intensiv, expressiv und ganz sicher auch sehr komplex. Die Aromen verhielten sich mit der Nase in etwa deckungsgleich. Darüber hinaus zeigten sich kurz vor dem hälsischen Abgrund wunderbare und lang anhaltende Aromen von dunklen Beeren und eine wohl abgestimmte Cremigkeit, welche dem Wein noch mehr Attraktivität und Komplexität verliehen. Auch der mineralische Ausdruck und die „Gaumenspannung“ zeigten wirklich beeindruckende Ausprägungen. Soweit, vor allem wenn man bedenkt das es ein Sauvignon Blanc war ;-), war alles super! Doch auf die Mütze gab es trotzdem! Der Alkoholeindruck (14%) war enorm und leider nicht wirklich hintergründig. Er sprang mir von Anfang an so richtig ins Gesicht und führte dazu, dass ich schon nach einem Glas rote Backen bekam und halb-K-O. in den Seilen hing. Leider war dieser Umstand sehr präsent und drückte sich zum einen durch einen gewaltigen Körper und zum anderen durch einen etwas aufdringlichen alkoholischen Geschmack aus. So frisch, komplex, aromenverwöhnt und tiefgründig der Wild Sauvignon 2010 ganz sicher war, der Alkohol-Punch war mir einfach viel zu viel! Daher für mich nur (und leider) ein anständiger **** und doch recht typisch neuseeländischer Sauvignon Blanc. Das typische meine ich von seiner sehr parfümierten und expressiven Art abzuleiten, welche mich in diesem Fall nicht störte. Natürlich hatte diese Expression auch etwas mit dem starken Alkohol zu tun …

Über die lahm wirkende klassische Bäuerlichkeit des Bourgogne Rouge Roncevie 2009 der Domaine Arlaud möchte ich nicht sehr viele Worte verlieren. Die Nase präsentierte viel matschig bräunliche Frucht von Erd- und Himbeeren die ein wenig uninspiriert bzw. nicht sehr enthusiastisch in meine Riechkanäle vordrangen. Etwas Bauernhof und lakritze-lastige Noten durften auch nicht fehlen. Was den Geschmack betraf zeigten sich an meinem Gaumen ähnliche Eindrücke. Der Roncevie war eher einfach gestrickt, von etwas groben bäuerlichem Charakter, war ein wenig warm und reif anmutend, zeigte leichte Säuredefizite und war dennoch alles andere als dünn oder wässrig. Die letzten Attribute scheinen das große Plus des Jahrgangs 2009 zu sein. Zusammengefasst: ein einfach einfacher und noch anständiger **** Pinot Noir der mir, für was er war, gefallen hat.

Mein Highlight der kleinen Verkostung war ohne Zweifel der Pinot Noir 2010 Liasion der schon an anderer Stelle erwähnten Abfüller (wie es so schrecklich nüchtern auf dem Rückenetikett vermerkt wurde) Enderle & Moll. Die Farbe des Liasion 2010 war gar nicht so hell, aber sehr transparent und natürlich dem Alter entsprechend äußerst jugendlich. Die Nase zeigte sich sehr elegant und ernsthaft-betörend-verspielt. Die Aromen erstrecketen sich über sehr lebendige Waldbeeren und reife Erdbeeren hin zu einem Hauch von Zündholz und Anmutungen von feinster Nussschokolade. Der Geschmack begeisterte mich mit seinen klaren Fruchtaromen (frische reife Erdbeeren und anderen Waldbeeren in Verbindung mit kühl wirkenden Pflaumen und etwas bitterem Nuss-Nougat) und seiner klaren-tänzelnden-eleganten Struktur. Die Säure war prägnant und im Gesamtbild sehr gut integriert. Sicherlich war der Liasion kein Beispiel für extrem viel Dichte und Konzentration. Diese Attribute sind bei badischen Spätburgundern ja nicht so sonderlich schwer zu finden. Auch die Länge und Komplexität war nicht komplett übermannend. Ihn zeichnete seine Leichtigkeit, Ausgewogenheit und Eleganz aus. Diese wiederum ist im sonnenverwöhnten Badnerland nicht ganz so einfach auffindbar. Mit Sicherheit ein sehr anständiger ***** Pinot Noir. Ich freue mich schon auf Enderle & Moll's Oberklasse Pinots!

No comments: